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Confirmation Bias

on Oktober 1. 2014

 

einstein zitat

 

Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.

Mit dieser Aussage sollte Albert Einstein Recht behalten. Wie oft stösst man auf intelligente Personen, die felsenfest von ihrer Meinung überzeugt sind, obwohl diese völlig irrational zu sein scheint? Es gibt eine Vielzahl von Gründen für irrationale Überzeugungen – doch ein besonderer scheint unser Urteilsvermögen massgeblich zu verzerren – der Confirmation Bias.

Haben Sie wieder einmal beobachten können, wie eine Frau schlecht einparken kann, dass sich Zwillinge nicht mit Wassermännern vertragen oder dass alle Politiker doch nur egoistische Schweine sind? Wenn das bei Ihnen der Fall sein sollte, haben Sie sich wahrscheinlich vom Confirmation Bias hinters Licht führen lassen. Dieser besteht im Allgemeinen in einer Neigung, unsere Überzeugungen durch Wahrnehmung, Erinnern oder Denken eher zu bestätigen als zu widerlegen. Richtige Überzeugungen zu bestätigen stellt an sich kein Problem dar. Jedoch werden aufgrund dieses Biases auch falsche Überzeugungen bestätigt. Das inhärente Problem liegt darin, dass wir unsere vorgefasste möglicherweise falsche Meinung tendenziell nicht ändern werden.

Ein Experiment

Versuchen Sie einmal Folgendes: Ich gebe Ihnen eine Zahlenfolge vor, die nach einer bestimmten Regel angeordnet ist. 2-4-6. Sie können mir weitere Zahlenfolgen vorschlagen, um herauszufinden, welche Regel hier angewendet werden muss. Ich sage Ihnen, ob Ihre vorgeschlagene Zahlenfolge der Regel entspricht. 8-10-12 (Richtig). 11-13-15 (Richtig). 3-7-6 (Falsch). Haben Sie die Lösung? Die Nachfolgerzahl ist die Summe aus der Vorgängerzahl und 2? Diese Lösung ist falsch. Die richtige Antwort lautet: Die Nachfolgerzahl ist grösser als die Vorgängerzahl. D.h., dass auch 8-10-500 richtig ist. Der Kognitionspsychologe Peter Wason hat diesen Test ursprünglich mit seinen Studenten durchgeführt. Sein erstaunliches Resultat zeigt sich darin, dass die Versuchsteilnehmer eine Theorie aufstellen und in überwiegender Mehrheit lediglich versuchen, diese zu bestätigen. Hätten die Studenten dagegen versucht, Ihre eigene Theorie zu widerlegen, wären sie sicherlich auf die korrekte Regel gestossen.

Ursache und Wirkung

Bei Aussagen, wie „Typisch! Das machen sie immer so!“ oder „Ich weiss doch, was ich gesehen habe. Meine Lebenserfahrung sagt mir XY!“ sollten die Alarmglocken läuten. Leider können wir uns nicht immer auf unsere durch subjektive Erfahrungen geprägten Überzeugungen verlassen, da diese häufig auf die eine oder andere Weise verzerrt sind und somit die Welt nicht korrekt abbilden. Woran liegt das? Welche Ursache hat dieser Bias? Pro Sekunde strömen auf unser Gehirn etwa 11.000.000 Reize ein, die durch unsere Sinnesorgane (Augen, Ohren, Nase, etc.) aufgenommen werden1. Unsere bewusste Aufmerksamkeit ist jedoch stark limitiert. Tatsächlich werden uns nur etwa 40 davon bewusst. Mehr würde die beschränkten Kapazitäten unseres Gehirns sprengen, da der Aufwand, all diese Reize zu verarbeiten, viel zu gross wäre. Da wir mit der ungeheuren Überreizung nicht klarkommen würden, wenn wir versuchen würden alles in einer Sekunde bewusst wahrzunehmen, haben sich im Verlauf der Evolution gewisse Heuristiken (Lösungsstrategien) gebildet, mit denen wir den grossen Informationsfluss mit geringem kognitivem Aufwand handhaben. Eine dieser Heuristiken ist die selektive Wahrnehmung. Die wahrgenommen Reize gelangen zu unserem Gehirn, wo sie eine Art Filter durchlaufen, welcher eine kleine Anzahl an relevanten Reizen durchlässt. Dies ist eine sehr praktische evolutionspsychologische Errungenschaft, da unser Gehirn hierdurch eine Menge Energie einspart und uns trotzdem handlungsfähig lässt. Die Frage ist jedoch: Wie entscheidet unser Gehirn, welche Reize relevant sind und welche der 11 Millionen Reize vernachlässigt werden können? Im Laufe der Evolution hat sich die Heuristik der Bestätigung als erfolgreich erwiesen. Ein automatischer Filter, welcher Überzeugungen nach bestätigenden Informationen selektiert, galt für Homo Sapiens in seiner Entwicklungsgeschichte als sehr nützlich, um die Reizüberflutung in den Griff zu bekommen.

Ein Grund dafür, dass unser Gehirn nicht fehlerfrei arbeitet, liegt in seiner Struktur begründet. Wir können bei einer neuen Situation nicht alle möglichen Hypothesen neutral durchgehen, da dies viel zu viele kognitiven Kapazitäten und Zeit benötigen würde. Man sehe sich dies am Beispiel von Wasons Experiment an. Es gibt Tausende oder gar Millionen von Hypothesen, die alle Zahlenfolgen erklären könnten. Jedoch testet man nur diejenige, die man bereits vorgefasst hat, da es einen enorm grossen kognitiven Aufwand erfordern würde, sich erst mal alle möglichen Regeln zu überlegen, welche die Zahlenfolge erlauben würden. Genau so verhält es sich mit anderen Situationen. Tausende, wenn nicht Millionen von Hypothesen stehen uns potentiell zur Verfügung, welche die Situation erklären könnten. Wir können nicht ständig all diese Hypothesen durchgehen – daher nehmen wir ganz einfach die erste, die uns in den Sinn kommt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass uns zuerst die Hypothese in den Sinn kommt, welche bereits in unserem Langzeitgedächtnis abgespeichert ist und welche wir in der Vergangenheit bereits auf ähnliche Situationen angewendet haben.

Es ist viel effizienter, von bereits bestehenden Hypothesen und Theorien unseres Langzeitgedächtnisses auszugehen, da unser Kurzzeitgedächtnis eine stark limitierte Kapazität hat, was die Fähigkeit einschränkt, Informationen unmittelbar zu verarbeiten. Die Kapazität unseres Langzeitgedächtnisses ist hingegen wesentlich grösser. Unzählige Informationen, Schlussfolgerungen und Überzeugungen können dort als Wissensstrukturen abgespeichert werden und sind verfügbar, wenn wir neue Schlussfolgerungen ziehen müssen. Das Langzeitgedächtnis fungiert somit als Quelle unserer Hypothesen und Theorien. Die Beschränkung des Kurzzeitgedächtnisses und die grosse Menge an gespeichertem Wissen beeinflussen unsere Schlussfolgerungen in sozialen Interaktionen, welche sehr stark von unseren Theorien und Hypothesen gesteuert werden. Es ist sehr nützlich und erfordert wenig kognitive Kapazitäten, unser gespeichertes Wissen über ähnliche Situationen, Veranstaltungen oder Personen zu nutzen, um neue Situationen, Veranstaltungen oder Personen zu interpretieren. Unser Gehirn neigt daher dazu, lieber auf der Seite der hilfreichen und bereits existierenden Theorien und Hypothesen des Langzeitgedächtnisses zu bleiben,  als blindlings alle möglichen Theorien und Hypothsen durchzugehen und somit wertvolle kognitive Kapatzitäten und Zeit zu verschwenden2.

Konsequenzen

Wenn Sie heutzutage durch die Heuristik des Confirmation Bias geleitet werden, machen Sie sich leicht Vorurteile und weitere falsche Überzeugungen zu eigen. Sie haben beispielsweise irgendwo gehört, dass Frauen schlecht einparken können. Sie sind auf der Strasse und sehen ein Auto, das Probleme beim Einparken hat. Und tatsächlich handelt es sich um eine Frau. An der nächsten Ecke ist es wieder eine Frau und schon wieder und schon wieder. Ihre Überzeugung muss also stimmen. Tatsächlich bemerken Sie nur Frauen, die nicht einparken können. Alle anderen Frauen, die keine Probleme haben, kommen nicht durch Ihren Aufmerksamkeitsfilter. Sie bestätigen lediglich Ihre Theorie. (Tatsächlich zeigen Studien, dass Frauen nicht schlechter einparken können als Männer. Im Gegenteil schnitten z.B. in einer britischen Studie mit 2500 Teilnehmern die Frauen sogar besser ab als die Männer.) Ähnlich verhält es sich in der Astrologie. Immer wenn Sie auf Situationen stossen, in welchen Zwillinge und Wassermänner sich nicht vertragen, werden Sie sich dessen bewusst bzw. merken sich diese Ereignisse besser. Fälle, in denen das Gegenteil der Fall ist, werden ignoriert oder vergessen. Die Astrologie lebt neben dem Barnum-Effekt vom Confirmation Bias. Und auch Ihre Meinung über Berufsgruppen wie Politiker oder Polizisten ist womöglich auf die gleiche Weise entstanden.

Die Bestätigung Ihrer Überzeugungen durch Evidenzen ist wichtig; jedoch ist es ebenfalls sehr wichtig, mit der Meinung im Konflikt stehende Evidenz ebenfalls anzunehmen und entsprechend zu verarbeiten – denn ansonsten laufen wir Gefahr, dass unsere Meinungen lediglich das Produkt unausgewogener Verarbeitung der eigentlichen Fakten darstellen und insofern auch falsch sind bzw. mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht der Realität entsprechen. Je mehr man sich dieses Biases bewusst wird, desto erfolgreicher kann man ihm entgehen und desto erfolgreicher kann man wahre Überzeugungen sein eigen nennen.

Quellenangabe

1. Schleier, Christian (2008): Neuromarketing – Über den Mehrwert der Hirnforschung für das Marketing (URL: http://www.decode-online.de/en/downloads/pdf/Neuromarketing-Ueber-den-Mehrwert-der-Hirnforschung.pdf)
2. vgl. Fiske, S. T., & Taylor, S. E. (2013). Social cognition: From brains to culture. Sage. Kapitel 8, 206-207